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   Die Reformation und das Evangelium der Gnade

Am 31. Oktober 1517 machte ein römisch-katholischer Mönch namens Martin Luther öffentlich seine Einwände gegen die Lehren seiner Kirche bekannt. Im Wesentlichen hatte Luther die kostenlose Gnade Gottes wiederentdeckt, die über die Jahrhunderte durch die natürliche Aversion des Menschen gegen Gnade verdeckt war. Er erneuerte die Betonung des Evangeliums auf der Gnade, die Jesus verkörperte und die der Apostel Paulus verteidigte. Diese erneuerte Betonung führte zum Protestantismus und die Welt war danach nie mehr dieselbe. Wie behandelt die protestantische Kirche das Evangelium der Gnade jetzt, 500 Jahre später?

Die Reformation Soli

Luthers Entdeckung der Gnade geschah nicht losgelöst von anderen Schwerpunkten der Reformation. Die anderen Reformatoren und er hielten drei miteinander verflochtene Wahrheiten hoch, die als Sola Scriptura, Sola Gratia, und Sola Fide bekannt sind (zwei weitere, Solas Christus—allein Christus und Soli Deo Gloria—allein für Gottes Herrlichkeit, wurden später formuliert). Sola Scriptura (allein durch die Schrift) beschreibt das Bekenntnis der Reformatoren zur Schrift als endgültiger Autorität für Lehre und Praxis. Dies lief dem katholischen Bekenntnis zur Autorität von Kirchentraditionen und päpstlichen Verkündigungen zuwider. Frei von den Fesseln der Tradition und mit dem Zugeständnis, dass sich die Bibel selbst interpretiert, war die Entdeckung von Gottes kostenloser Gnade durch die Reformatoren unvermeidlich. Ebenso war Sola Fide (allein durch den Glauben) eine Konsequenz der Einsicht, dass die Bibel lehrte, dass Gnade nicht durch Werke oder menschliche Leistung verdient werden kann. Errettung aus Gnade ist Gottes Geschenk; die einzige Antwort des Menschen ist, es zu akzeptieren, das heißt, Gott zu glauben, dass es so ist. Daher sind wir vor Gott allein durch den Glauben gerechtfertigt. Nach der katholischen Lehre führt Gnade, die bei der Taufe gespendet wurde, zu guten Werken und sakramentalen Praktiken, durch die mehr Gnade verdient wird, bis die endgültige Errettung erreicht ist. Sola Gratia (allein aus Gnade) brachte die Kirche zurück zu der Wahrheit, dass Gnade vollkommen kostenlos und bedingungslos ist. Daher spielen Werke keinerlei Rolle, um die Errettung zu verdienen: "Denn aus Gnade seid ihr errettet durch den Glauben, und das nicht aus euch — Gottes Gabe ist es; nicht aus Werken, damit niemand sich rühme." (Eph. 2:8-9). Ein Mensch kann daher im Moment des Glaubens an Jesus Christus für gerecht erklärt werden anstatt erst einen Prozess des Gerechtwerdens zu beginnen. Gottes Gerechtigkeit wird sofort zugerechnet, nicht über die Lebenszeit verteilt gespendet.

Protestantische Divergenzen

Einfaches Lesen der Schrift zeigt, dass es möglich ist, dass Christen ständig mit Sünde zu kämpfen haben. So sehr die ursprünglichen Reformatoren auch versuchten, ihre Theologie zu erklären und zu verfeinern, gab es doch niemals völlige Übereinstimmung in einigen Fragen. Einige wesentliche Unterschiede betrafen den freien Willen des Menschen, die Rolle der Werke nach der Errettung und die Gewissheit der Errettung. Protestanten begannen nach der Reformation, theologische Ansichten herauszubilden, die von denen der Reformatoren und deren Verständnis von Gnade und Glauben abwichen. Einige lehrten, dass Gnade einseitiges Handeln von Gott erfordere und überhaupt nicht vom Menschen abhänge (Monergismus), bis dahin, dass Gottes Gnade Jesus Christus nur zur Versöhnung für die Sünden der Erwählten bereitgestellt hätte und dass diese Gnade sich den Erwählten unwiderstehlich aufdränge, um sie zu erneuern, so dass sie glauben. Glaube kann nicht vom Menschen allein ausgehen weil das ein Werk wäre und etwas von Gottes Herrlichkeit wegnehmen würde. Diese Ansicht entwickelte sich zu dem, was als Hochcalvinismus, Fünf-Punkte-Calvinismus oder TULIP-Calvinismus bekannt ist. Gewissheit der Errettung hängt von den Indizien der durch Gnade im Gläubigen hervorgerufenen Werke ab, die bis zu den letzten Augenblicken des Lebens anhalten müssen, um zu beweisen, dass die Errettung echt ist. Vollkommene Gewissheit ist daher in diesem Leben unmöglich. Entgegen der monergistischen Ansicht über die Errettung beharrten andere darauf, dass Gott uns in einem Zusammenwirken errettet, einer Kongruenz von Gottes Willen und dem Willen des Menschen, die zusammenwirken. Bei seinem Fall verlor der Mensch nicht das Ebenbild Gottes, auch wenn es beschädigt war. Der Mensch behält seinen von Gott geschenkten freien Willen, auch wenn er durch Sünde fehlgeleitet ist. Gott muss daher diesen Menschen mit verschiedene Mitteln bis zu einem Punkt ziehen, wo er dem Evangelium glauben oder es zurückweisen kann (siehe GraceNotes no. 75). Glaube wird nicht als ein verdienstvolles Werk angesehen, sondern als eine demütige Annahme von Gottes Angebot der Errettung, das durch Seine Gnade bereitsteht. Diese Ansicht entwickelte sich zu dem, was manchmal als Semi-Pelagianische Position oder als die extremere Arminianische Position bezeichnet wird. Als Arminianer werden schließlich diejenigen identifiziert, die glauben, dass der freie Wille einem Gläubigen ermöglichen kann, so schwer zu sündigen oder die Errettung nach deren Empfang zurückzuweisen, dass er die Errettung verliert. Arminianer behaupten, die volle Gewissheit der Errettung zu haben, wenn sie in Treue leben, können aber keine Gewissheit über ihre zukünftige Errettung beanspruchen, weil die Möglichkeit besteht, dass sie abfallen oder schwer genug sündigen könnten um die Errettung zu verlieren.

Wo bleibt dabei heutzutage das Evangelium der Gnade?

Wie in der Reformation erkannt wurde, ist die biblische Lehre der vollkommen kostenlosen und bedingungslosen Gnade Gottes der wesentliche Eckstein jeder wahren Theologie der Errettung. Die Bibel sagt, dass Gnade sich in keiner Weise mit Werken vermischen darf, damit sie nicht aufhört, Gnade zu sein (Röm. 11:6). Die Bibel unterscheidet auch klar den Glauben von Werken (Röm. 4:4-5). Die TULIP-Calvinisten haben viele auf einen Weg in die Irre geleitet, der die kostenlose Gnade Gottes beeinträchtigt, indem er gehorsamen Glauben und offenkundige Werke als Beweise der rettenden Gnade fordert. Diese Werke müssen ein Leben lang und bis zum Ende des Lebens gezeigt werden. Während sie verkünden, dass Errettung allein aus Gnade allein durch den Glauben kommt, bestehen sie auch darauf, dass Glaube niemals allein kommt—er beinhaltet immer offenkundige Werke, womit Werke für die Errettung erforderlich gemacht werden. Diejenigen, die Gottes erneuerndes Werk und die Kraft des innewohnenden Heiligen Geist verstehen, sind sich einig, dass echter Glaube zu Werken führen wird. Aber diese Werke können kein Beweis oder eine Vergewisserung der Errettung sein, weil sie nicht gemessen werden können, relativ sind und nicht immer beobachtet werden können. Der objektive Beweis und die Gewissheit der Errettung kommen von Gottes Verheißung des ewigen Lebens durch Christus und durch die Tatsache, dass man dieser Verheißung entsprechend an Christus glaubt. Ebenso haben die Arminianer viele von der kostenlosen Gnade Gottes weg irregeleitet, indem sie darauf bestanden, dass gute Werke notwendig sind, um die Errettung zu behalten, und dass Sünde und Unglauben die Errettung verwirken können. Gnade wird so abhängig von der eigenen Treue gemacht. Gewissheit der Errettung gibt es nur für diejenigen, die in der Gegenwart in Treue leben, es gibt aber keine Gewissheit der endgültigen Errettung. Wir werden aus Gnade durch Glauben errettet, aber wir bleiben durch unsere treue Erbringung von Leistungen errettet. Nochmals, Werke machen die kostenlose Gnade Gottes zunichte, und Errettung ist nur für gewiss, wenn man im Glauben und in Treue stirbt.

Schlussfolgerung

Obwohl die protestantische Reformation die biblische Wahrheit von Gottes kostenloser Gnade und Errettung allein durch Glauben allein an Christus wiederentdeckte, haben die Zyklen der Geschichte und die menschliche Aversion gegen die Gnade einmal mehr die Wahrheit des Evangeliums der Gnade verdunkelt, so dass es heutzutage oft verzerrt oder pervertiert ist. In großen Gruppen des Protestantismus verdrängen menschengemachte theologische Systeme die alleinige Autorität der Schrift. Überzeugungen und Theologen werden häufiger zitiert als die Schrift. Ihre Theologie lehrt, dass Glaube kein Glaube ist, solange er Werke beinhaltet, was zum Erscheinen vieler Bücher und Artikel geführt hat, die darauf beharren, dass Errettung Werke erfordert. Daher ist die Gnade nicht länger bedingungslos sondern von der Leistung des Menschen abhängig. Trotz der Wiederbelebung des Evangeliums der Gnade in der Reformation ist ein Großteil des Protestantismus heute zurück auf dem Weg nach Rom mit einem Evangelium, das Werke notwendig und die Rechtfertigung zu einem Prozess macht. Der Bogen der Geschichte und Theologie zeigt, dass es Zeit ist, dem Glaubensbekenntnis der Reformation Sola Scriptura, Sola Gratia und Sola Fide wieder Geltung zu verschaffen.


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