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   Matthäus 5:48 – Ist es möglich, so perfekt wie Gott zu sein?


"Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist!"

Diese Aussage von Jesus in Seiner Bergpredigt könnte diejenigen einschüchtern die denken, dass es unmöglich ist so perfekt wie Gott zu sein. Viele nehmen an, dass "vollkommen" (teleios) sich auf völlige Sündlosigkeit bezieht, und noch schlimmer, dass das Erreichen vollkommener Sündlosigkeit für die ewige Errettung erforderlich ist. Die meisten Christen glauben, dass es unmöglich ist, in diesem Leben sündenfreie Vollkommenheit zu haben. Was meinte Jesus also? Wir werden einige unterschiedliche Ansichten untersuchen, und dann die beste, durch den Kontext gestützte Ansicht ermitteln.

Mormonentum (Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage): Das Mormonentum glaubt, dass es die Zukunft seiner treuen Anhänger ist, so vollkommen wie Gott zu sein. Sie lehren, dass sie derzeit in einem embryonalen Stadium ihrer Entwicklung auf dem Weg zur Erhöhung zu Göttern sind. Dies könnte implizieren, dass Vollkommenheit in diesem Leben erreichbar ist, sie wird jedoch schlussendlich in ihrem zukünftigen, endgültigen Zustand verwirklicht. Durch das Eingehen von Verträgen mit Gott, Ihm zu gehorchen, und trotz Versagen, wird Gehorsam schließlich zu zukünftiger Vollkommenheit als Gott führen. Im Wesentlichen versuchen sie, sich ihren Weg zur Vollkommenheit zu erarbeiten. Die mormonische Ansicht der ewigen Entwicklung ist nicht nur unbiblisch sondern ihre Christologie ist auch häretisch, da sie lehren, dass Jesus sich auch entwickelt hat um ein Gott zu werden.

Wesleyanische Heiligkeit. John Wesley lehrte, dass sündlose Vollkommenheit möglich ist, da Gott den Christen befähigt, alle Sünden abzulegen und so zu wandeln wie Christus wandelte. "Darum sollt ihr vollkommen sein" als Gebot zu verstehen bedeutet, dass Vollkommenheit in diesem Leben möglich sein muss. Während die Wesleyanische Theologie die sündhafte Natur des Menschen und die damit einhergehenden Kämpfe erkennt, lehrt sie trotzdem, dass Christen, die mit Jesus gehen und sich auf Gottes Geist verlassen, die Sündlosigkeit erlangen können. Allerdings widerspricht sündlose Vollkommenheit den Realitäten des menschlichen Verhaltens und den Lehren der Bibel über die Sünde (vergl. Matt. 6:12; 1 Johannes 1:8-10).

Zugeschriebene Vollkommenheit. Manche glauben, dass die Vollkommenheit aus Vers 48 vor Gott durch Zuschreibung der Vollkommenheit Christi aus Rechtfertigung durch Glauben an Jesus Christus erlangt wird. In Matthäus 5:20 erklärt Jesus den Jüngern und möglicherweise einer Menge anderer Leute (Matt. 5:1): " Wenn eure Gerechtigkeit die der Schriftgelehrten und Pharisäer nicht weit übertrifft, so werdet ihr gar nicht in das Reich der Himmel eingehen!". Es wird daher impliziert, dass diejenigen, die die pharisäische Werkgerechtigkeit zugunsten von Christi zugeschriebener Gerechtigkeit aufgeben, aus Gottes Sicht vollkommen werden. Es ist wahr, dass Gläubige in der Rechtfertigung durch Glauben an Jesus Christus für gerecht erklärt werden (Röm. 3:22) und – durch Zuschreibung der Gerechtigkeit Christi - abgewaschen, geheiligt und gerechtfertigt genannt werden können (1 Kor. 6:11). Diejenigen, die durch Zuschreibung der Gerechtigkeit Christi als gerechtfertigt erklärt sind, werden in diesem gegenwärtigen Leben immer noch sündigen. Diese Ansicht versteht die Bergpredigt primär als eine evangelistische Botschaft. Das ist jedoch nicht konsistent damit, dass Jesus die Jünger als Gläubige anspricht, die " um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden", " das Salz der Erde" und "das Licht der Welt" sind (Matt. 5:10-12, 13-14). Sie werden belehrt, wie sie beten, geben und fasten sollen (Matt. 6:16-18) und dass sie einen Vater im Himmel haben (Matt. 6:9; 7:11). Jesus predigt dieser Menge nicht das Evangelium, obwohl seine Predigt ungläubige Zuhörer darauf einstellen könnte, ihre Bedürftigkeit für Gottes Gerechtigkeit zu sehen. Falls dies eine evangelistische Botschaft wäre, dann würde die Betonung des rechtschaffenen Handelns Werke als Weg zur Errettung unterstützen. Auch wenn der schmale Weg in Matthäus 7:13-14 von der Errettung spricht, erklärt Jesus doch nicht, wie man auf diesen Weg gelangt.

Moralische Vollständigkeit. Eine weitere Interpretation versteht vollkommen (teleios) als auf seine wesentliche Bedeutung Vollständigkeit bezogen, nicht auf absolute Vollkommenheit oder Sündlosigkeit wie in Christi vollkommener Gerechtigkeit. Moralisch wäre dies gleichzusetzen damit, in einem moralischen Sinne tadellos oder mündig oder gereift zu sein (1 Kor. 2:6; 14:20; Phil. 3:15; Jakobus 1:4).

Es gibt vieles, was diese letztere Interpretation stützt. Es beginnt mit dem Verständnis, dass Jesus Seinen Jüngern die Maßstäbe der Gerechtigkeit des Reiches der Himmel verkündet (5:1). Jesus hatte sich noch nicht selbst als König Israels dargestellt und das Volk hatte Ihn noch nicht zurückgewiesen. Er lehrt die moralische Natur des kommenden Reiches der Himmel. Im Gegensatz dazu erklärt Jesus, dass die äußerliche Gerechtigkeit der Schriftgelehrten und Pharisäer für das Reich der Himmel unzureichend ist (5:20). Die Ethik von Liebe und Heiligkeit geben die gleichen Prioritäten wieder wie das mosaische Gesetz (3. Mose 19:2). Natürlich wäre die Ethik der Predigt auf alle Nachfolger Christi anwendbar. Gott ist der Maßstab der Heiligkeit und Gerechtigkeit, nach dem alle Gläubigen streben.

Der Kontext der vorhergehenden Verse 43-47 gibt Gottes Zielsetzung für Sein Volk wieder, wie sie in 3. Mose 19:2b: "Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, der HERR, euer Gott!" und 3. Mose 19:18: "Du sollst nicht Rache üben, noch Groll behalten gegen die Kinder deines Volkes, sondern du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst! Ich bin der HERR." festgelegt ist. Wenn Gläubige ihre Feinde lieben, dann erweisen sie sich als "Söhne eures Vaters im Himmel", das heißt, echte Repräsentanten Gottes, ihres Vaters (Vers 45a). Diejenigen, die ihre Feinde lieben, von denen sie gehasst und verfolgt werden, zeigen die reifste und vollständigste Liebe, dieselbe Liebe, die Gott für alle Menschen hat, ohne zwischen denen, die gut sind, und denen die schlecht sind, zu unterscheiden (Vers 45b).

Jesus meinte dass dies erreichbar ist weil vollkommen oder gereift in einem relativen Sinne benutzt wird. Im Alten Testament verwendet die Septuaginta in der Übersetzung von 5. Mose 18:13: "Du sollst tadellos vor dem Herrn deinem Gott sein" das Wort teleios um von moralischer Rechtschaffenheit zu sprechen. Ebenso verwenden Passagen im Neuen Testament teleios in einem moralisch funktionalen Sinn von Reife oder Vollständigkeit (vergl. Phil. 3:12, 15; Heb. 11:14; Jakobus 1:4). Jesus nannte auch andere Maßstäbe der Rechtschaffenheit, die das Gesetz und die Pharisäer übertreffen: Du sollst nicht hassen, begehren, falsch schwören oder Vergeltung üben (5:21-42). Es gibt keine Erwartung sündloser Vollkommenheit im Neuen Testament (vergl. Matt. 6:12; 1 Johannes 1:8); stattdessen sehen wir die Möglichkeit fortschreitender Reife oder Heiligkeit (z.B. 2 Kor. 7:1; Heb. 10:14). Liebe formt einen vollkommenen oder gereiften Charakter mit dem Endziel vollständiger Christusähnlichkeit (vergl. Röm. 8:29; Eph. 4:15-16). Dies ist Gottes ultimatives Ziel für Sein Volk—zu sein wie Er ist, jemand, der die Lieblosesten lieben kann.

Die parallele Predigt in Lukas 6 bietet noch einen Einblick in die Bedeutung von perfect bei Matthäus. Anstatt den Teil der Predigt über die Feindesliebe mit dem Wort "vollkommen" (teleios), zu beschließen, verwendet Lukas ein anderes Wort: "Darum seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist." (von oiktirmos, Erbarmen, Mitgefühl, Barmherzigkeit zeigen; Lukas 6:36). Dies zeigt einen weiteren Aspekt eines vollständigen und frommen Charakters, der bei Matthäus als vollkommen beschrieben wird.

Schlussfolgerung

In der Bergpredigt erklärt Jesus die Gerechtigkeit des Reiches der Himmel, nicht nur um des zukünftigen Reiches willen sondern auch als moralische Richtlinie für das Verhalten in der Gegenwart, weil die gerechten Maßstäbe Gottes unveränderlich sind. Wir sollen jeden lieben, auch unsere Feinde. In Gottes Gnade finden wir Hilfe um die zu lieben, die uns nicht ebenfalls lieben (Heb. 4:16). Wenn wir in dieser Weise lieben, dann repräsentieren wir die moralische Vollkommenheit unseres heiligen Gottes. Jesu Gebot vollkommen zu sein ist ähnlich dem Gebot des Apostels Paulus "Gottes Nachahmer als geliebte Kinder" (Eph. 5:1) zu sein. Während unsere natürliche Fähigkeit zu lieben auf Verdienst basiert, basiert Gottes vollkommene Liebe auf Gnade: "Gott aber beweist seine Liebe zu uns dadurch, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren." (Röm. 5:8).


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